Geschichte hinter der Entwicklung der Kimono Kalligraphie

 

Yumiko Umeda lebte 2016  in der Umgebung von Melbourne, Australien. In dieser Gegend, wo viele Migranten aus Europa wohnten, gab es viele Kunsthandwerker*innen, die Quilts, Strickereien und ähnliches herstellten. Von ihnen lernte sie zu stricken und das Entwerfen von Strickwaren.

Eines Tages erkannte sie in einem eher zufällig gestalteten Zopfmuster beim Stricken ein japanisches Schriftzeichen. Zu dieser Zeit wurde ihr bewusst, dass man Kalligraphie nicht nur mit dem Pinsel schreiben, sondern mit einem unerwarteten Material gestalten und zum Ausdruck bringen kann.
Sie begann, das Stricken von Zopfmustern von Grund auf zu erlernen und verbrachte damit etwa ein halbes Jahr, aber erkannte, dass es sehr viel Zeit und Mühe verursachte. Auch ließen sich nur sehr wenige Zeichen dafür in Verwendung bringen, um  die  Vielfalt der Kalligraphie zum Ausdruck bringen zu können. So entschied sie sich, diese Technik aufzugeben und auszuprobieren, wie sie mit der Nähmaschine Kalligraphie herstellen könnte, zumal das Nähen seit ihrer Kindheit hinweg eine geliebte Beschäftigung von ihr war.

 

 

Zu diesem Zeitpunkt stieß sie auf ein Kunstwerk der Textilkünstlerin Christine Lethlean, die ebenfalls in Australien lebte. Es hatte sie nicht nur Christines Werke fasziniert, sondern ihre Haltung zu alten Objekten, ihre Besorgnis wegen des Massenkonsums unserer Zeit, all dies stimmte mit ihrer Sichtweise überein.

Dies alles stimmte mit ihrer eigenen Sichtweise überein und sie beschloss, Christine Lethlean selber aufzusuchen, um sich tiefer mit ihren Werken und Techniken, der Wiederverwendung alter Stoffe und Gestalten von lebendigen, ausdrucksstarken Textilarbeiten vertraut zu machen. In jedem von Christines Werken konnte sie erkennen, wie sich die einstigen Stoffreste, die der Entsorgung geweiht waren, in ausdrucksstarke Muster und Bilder verwandelten. 

Die künstlerische Qualität ihrer Werke, die nicht nur ein einfaches Upcycling, sondern zugleich das Sinnbild einer eigenen Sichtweise auf die Welt zum Ausdruck bringen, hat sie tief beeindruckt.

 

 

Beim Betrachten dieser Arbeiten waren ihre Gedanken sofort mit den japanischen Kimonos verbunden und der Arbeit ihrer Mutter, die mehr als 30 Jahre lang Kleidung aus alten kostbaren Kimonostoffen entworfen und neu erschaffen hatte. Von ihr hatte sie auch die Auswahl, Handhabung und Besonderheiten von Seidenkimonostoffen gelernt.

Ein Kimono ist so konzipiert, dass er aufgetrennt und wieder neu genäht, mehrere Male umgestaltet oder der ganze Kimono in ein anderes Kleidungsstück umfunktioniert werden kann. Damit ist der Kimono ebenfalls ein sehr nachhaltiges Kleidungsstück. Zugleich bedarf der empfindliche Seidenstoff sorgfältiger Pflege und sorgfältiges Aufbewahren, ihn zu erhalten. So werden heute auch teure Kimonos, insbesondere aus der Zeit, als Japan in den Jahren 1970 bis 2000 wirtschaftlichen Aufschwung erlebte und sich viele Frauen Kimonos leisten konnten, ausrangiert.

Von den diversen Techniken, in denen Christine Leathlen spezialisiert war, lernte sie die Technik "Raw-Edge-Applique" und "Free-Motion-Stitching", die ihr am geeignetsten für die Umsetzung ihrer Idee erschienen. Denn während Christines Materialien straffe Baumwollstoffe waren, verlangten die weiche Kimonostoffe eine sehr sensible und behutsame Nähtechnik und spezielle Fäden, den Seidenstoff nicht zu zerstören oder zu verzerren. Sie fügte nach und nach ihre eigenen Ideen hinzu, um mit einer verfeinerten Technik ihre Kalligraphie-Kreationen umzusetzen und zu perfektionieren.

 

 

Ende 2017 beschloss sie nach Berlin zu ziehen um hier, in einer kulturell aufgeschlossene Stadt mit vielseitigen Künstler*innen und Menschen einen Ort zu finden, der ihren eigenen auch künstlerischen Wünschen und Vorstellungen einen Lebensraum bot. 

 

Hier intensivierte sie ihre Bemühungen, bis sie sich auf eine Umsetzung in Form eines Bildes geeinigt hat. Dabei werden die zerlegten Kimonostoffe  wieder zusammengenäht und in Form eines quadratischen Bildes eingerahmt. So schafft sie Kompositionen innerhalb des Passepartouts, in Komposition mit einer später einzufügenden Kalligraphie, die miteinander harmonieren oder auch mehrmals genäht, bis diese ihren Vorstellungen entsprechen.
Dieser Arbeitsweg verlangt oft ein aufwändiges Wiederholen und Verwendung spezieller japanischer Scheren feinster Schliffart. Die zuvor auf Papier geschrieben Kalligraphien werden in einem eigens entworfenen Näh- und Schneidverfahren übertragen und schließlich ein jeweils einmaliges Kunstwerk entsteht, das die in Japan wesentlichsten traditionellen Künste vereint: die Kunst der Kalligraphie und die Kimonotradition mit ihren wertvollen Seidenstoffen. In ihrer Symbiose erfahren sie eine Umwandlung sowohl hin zu einem Kunstwerk und der Widerspiegelung japanischer Kultur als auch Ausdruck der Nachhaltigkeit in der Wiederverwendung  japanischer Kimonostoffe.

Nach unzähligen Experimenten war im Juni 2018 schließlich die “Kimono Kalligraphie” soweit in der Umsetzung, Technik und Gestaltung perfektioniert, wie sie sich in den hier ausgestellten Kunstwerken wiederfindet und für die heute Yumiko Umeda als Schöpferin und auch Namensgeberin steht.